Stefan Sigel: Ernst Barlach bildete mit seiner Skulptur „Der Buchleser“ (1936) einen Idealtypus des Lesenden ab. Begeistert notierte Bertolt Brecht über Barlachs Darstellung: „Ein sitzender Mann, vornübergebeugt, in schweren Händen ein Buch haltend. Er liest neugierig, zuversichtlich, kritisch. Er sucht deutlich Lösungen dringender Probleme im Buch.“
Ähnliche “Kunstwerke“, seltener werdende, finden wir immer wieder in unserer Schule: lesende Kinder, die wie Barlachs Skulptur versunken in die Lektüre jene immer wertvolleren Momente von Konzentration und meditativer Harmonie erfahren und ausstrahlen; und deren Rücken, wie in Barlachs Skulptur, einem Schild gleich Störendes abschirmt, um sich einen Ort der Intimität zu bewahren.
Ergänzt wird diese Kunst, heutzutage spricht man auch von Schlüsselkompetenz, wenn die Lesenden ihre Lektüren vortragen, laut und deutlich, flüssig und in angemessenem Sprechtempo, was nicht selbstverständlich ist. Und wenn zu dieser Grundtechnik des Vorlesens, die geschult werden muss, die Kunst, sinnstiftend aus dem Zusammenspiel von Klängen, Worten und Sätzen ganze Geschichten mit Bildern bei den Hörern entstehen zu lassen, dann verdient das höchste Anerkennung und höchstes Lob.
Jakob Berghammer hat mit seiner Lesekunst aus „Die Legende von Greg“ das Joseph-Bernhart-Gymnasium als Schulsieger beim Kreisentscheid großartig vertreten. Die Veranstaltung am 06.02.23, die von der Mitteschule Mindelheim ausgerichtet wurde, war erneut eine Werbeveranstaltung für eine nicht aussterbende Kulturtechnik im Kreise von unterstützenden Eltern, Geschwistern, Mitschüler:innen, Lehrer:innen und einer kritischen Jury. Dass er nicht gewann – gefühlt war er auf dem 1. Platz -, ist nicht so wichtig; dass er wie viele Kinder noch liest, zuversichtlich, neugierig und kritisch, das ist wesentlich: denn alle Leser:innen sind Gewinner.
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